„AFRIKA“ - hautnah - Bericht 10


 

Das Ende der zweijährigen Afrika-Etappe

 

Route: Südafrika - Lesotho - Südafrika vom 15.12.12 bis 10.03.2013

 

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Nach drei wunderschönen Wochen in Namibia mit unserem Sohn Ingo und dessen Freundin Claudia sitzen die beiden wieder im Flugzeug Richtung Heimat. Familienbesuch bedeutet für uns als notorische Alleinreisende immer Ausnahmezustand und Genuss pur.

Wieder allein machen wir uns auf den Weg nach Südafrika.

 
Nur Sekunden vor einem Gewitter, Claudi und Ingo in der Etoschapfanne
 

Südafrika – so gar nicht afrikanisch

 
Im Mai letzten Jahres bekamen wir im Osten Südafrikas zum ersten Mal hautnah die Angst der Weißen hinter ihren Starkstromzäunen zu spüren. Die Westküste dagegen überrascht uns positiv. Es gibt kaum hohe Mauern mit Stacheldraht und Starkstrom. Es fehlen die Zeichen der Angst.

Wie in allen afrikanischen Ländern sorgen die Augen am Alkoven wieder für lachende und winkende Menschen am Straßenrand.

 
Zwei Augen bescheren uns Lachen und Freundlichkeit
 
An der Westküste sind die Südafrikaner locker und schwören sich am Sandstrand ewige Treue, eine Traumkulisse für eine Hochzeit.
 
Gibt es einen schöneren Platz für das „Ja“?
 

Der Großteil der Menschen im einsamen Westen Südafrikas sind Weiße, der Rest ist „anders“, nicht Schwarz und nicht Weiß. Das hat ihnen den meiner Meinung nach nicht schmeichelhaften Namen Coloureds eingebracht, und das kam so.

Bereits 1655 brauchte die Ostindien Kompanie am Kap Sklaven. Die kamen aus Indien, Bali, Java, Madagaskar, Guinea oder Angola. Alle wurden in einem Sklavenquartier in Kapstadt untergebracht. Dieses Lager entwickelte sich schnell zu einem begehrten Freudenhaus für Farmer und Seeleute. 75 Prozent der Kinder, die von diesen Frauen geboren wurden, hatten einen weißen Vater, so dass es um 1800 am Kap mehr farbige Sklaven als Herren gab.

 

Ihre Vorfahren waren Sklaven, doch die Coloureds leben freier als ihre ehemaligen Herren.
 

Früher litten die Schwarzen unter der Apartheid und jetzt sind es die Weißen. Die Coloureds dagegen lebten und leben gewaltfrei in ihrer eigenen Volksgruppe zusammen. Sie führen ein einfaches Leben zwischen den spannungsgeladenen schwarzen und weißen Kontrahenten. Trotz der friedfriedlichen Stimmung hier und einem wilden Sonnenuntergang wagen wir es nicht, wild im Bush zu übernachten. Die Warnungen aus allen Richtungen sind der Grund dafür.

 

 
Sonnenuntergang – nach den Menschen mein liebstes Fotomotiv
 

Deswegen fragen wir bei Klaas, ob wir neben seiner Scheune übernachten dürfen. Anfangs ist der Farmer etwas bärbeißig, wird aber von Minute zu Minute freundlicher und scheint über den unerwarteten Besuch froh zu sein. Seine Farm ist 600 Hektar groß.

Er schenkt uns am nächsten Morgen selbstgemachte Buren-Bratwürste aus Straußenfleisch vermischt mit fettem Schweinefleisch. Stolz zeigt er uns seine Farm, die, der Arche Noah nicht unähnlich, viele Tierarten beherbergt.

Klaas ist ein einfacher, aber herzlicher Bure. Er fährt mit uns hinaus zu den Wildblumen und wir kehren nicht zurück, ehe Heti einen tollen Blumenstrauß in den Händen hält samt wunderschöner „Giant Protea“.

 

Ein Übernachtungsplatz wie bei Klaas ist Garant für menschliche Nähe
 

Klaas macht sich Sorgen um die Farm und vor allem um die Zukunft seiner Söhne. Er glaubt, dass der jetzige Präsident Jacob Zuma früher oder später die weißen Farmer enteignen und davonjagen wird. So wie es Robert Mugabe damals in Simbabwe gemacht hat.

 
Ohne Worte
 

Böse Zungen behaupten, dass manche Staatsoberhäupter ein kleineres Gehirn haben als der Vogel Strauß. Und das will was heißen, wiegt es immerhin nur 1,6 Gramm.

 

Nicht gerade der Hellste

 
Wir hangeln uns immer weiter die Küste Richtung Kapstadt hinunter. Dabei zeigt sich die wilde zerklüftete Küste von ihrer schönsten Seite.
 
Die Küste ist superschön…
 

…wild

 
…und es wimmelt von Haien
 
Vor Kapstadt herrschen europäische Verhältnisse. Weiße Hautfarbe und Verbotsschilder nehmen zu.
 
Hier ist nichts erlaubt, außer Schwimmen und Hunden an der Leine
 

In und um Kapstadt, der Stadt der Weißen, sehen wir wunderschöne Häuser und Villen. Sie gaukeln eine heile Scheinfassade vor, die langsam abbröckelt.

 
Wunderschön und unter Umständen nichts mehr wert
 

Der ehemalige weiße Präsident de Klerk konnte damals bei den Verhandlungen zur Abschaffung der Apartheid nur einen einzigen Punkt gegen Nelson Mandela durchsetzen, und das war der Schutz des Eigentums. Doch der wird schleichend von den Schwarzen unterhöhlt, indem sie sich mit ihrer Großfamilie neben teuren Villen in bester Lage einmieten und für Unruhe und Remi-Demi sorgen. Unter solchen Voraussetzungen ist das Nachbarhaus dann unverkäuflich, und die Schwarzen können es für ein Butterbrot erwerben.

 

Gute und fair bezahlte Arbeitsplätze sind für Weiße immer schwieriger zu bekommen. Oft steht bereits in der Anzeige „no white applicants“! Auch wenn der Weiße besser qualifiziert ist, wird immer ein Schwarzer genommen. Für die gleiche Arbeit bekommen die Weißen weniger Geld als ihre schwarzen, oft schlechter ausgebildeten Kollegen.

Dieses Land fällt von einem Extrem ins andere. Zurzeit herrscht Apartheid gegen die Weißen.

 

…und dann ist der Moment da!

 
Drei, die es geschafft haben
 

In den zwei Jahren „Afrika hautnah“ sind wir meist nur guten, hilfsbereiten und freundlichen Menschen begegnet. Wir haben die extremsten Landschaften dieses Kontinents gesehen. Nun stehen wir mit unserem HZJ, der uns mittlerweile über 350.000 Kilometer ein treuer Begleiter ist und uns noch nie enttäuscht hat, am Kap der Guten Hoffnung.

 

Ein Traum hat sich erfüllt.

 
Wo ist denn nun Indien?
 

Kurzinfo Südafrika, Stand Februar 201

1 Euro

= 10,54 bis 11,90 Rand

   
1 l Diesel

= 11,39 bis 13,31 Rand

   
1 Semmel

= 1,15 Rand

   
1 Kg Tomaten

= 1,15 Rand

   
1 Kg Bananen

= 10,00 Rand

   
 

Ein- und Ausreise: Einreise bei Vioolsdrift, sehr freundlich und schnell, Aufenthaltsgenehmigung 90 Tage. Carnet wird abgestempelt. Erste Ausreise über Tele Bridge, zweite Einreise über Caledonsport und zweite Ausreise über Johannesburg (Flug). Es fallen keinerlei Kosten an.

 
Das Erreichen des Kaps bedeutet nicht, dass wir am Ende dieser langen Reise angekommen sind. Ein Land steht noch aus, und wir sind auf das letzte der dann 37 Länder auf dieser Tour gespannt. Es ist das kleinste Land Afrikas und heißt Lesotho.
 

 
Lesotho – das Königreich im Himmel
 

Kurz hinter der Grenze geht es nicht mehr weiter. Steine und Stacheldraht blockieren die Straße. Wir sind irritiert. Soll es eine Warnung sein? Was tun? Wir wägen ab und umfahren dann mühsam die Hindernisse. Doch als wir hören, dass die Anwohner gestern gegen die Regierung demonstriert hatten, sind wir beruhigt.

Bei der weltweit höchsten Arbeitslosenrate von 45 Prozent verstehe ich die Demonstranten.

 

Straßensperre aus Protest gegen die Regierung
 

Obwohl die Enklave Lesotho nie von Südafrika erobert werden konnte, hängt sie doch von der südafrikanischen Wirtschaft ab, und mit der geht es seit dem Ende der Apartheid abwärts. Deswegen finden die Lesothen in den Minen Südafrikas auch keine Arbeit mehr. Ihnen bleibt nur noch das Hirtendasein oder die Selbstversorgung durch Landwirtschaft.

 

Zwei Zigaretten und eine Schachtel Zündhölzer machen diesen Hirten glücklich

 

Die Rundhütten in der wunderschönen Landschaft sehen romantisch aus, doch das Leben in ihnen ist hart.

 
Die Idylle täuscht
 

Die Hauptnahrung dieser einfachen Menschen heißt Maisbrei. Er wird morgens und abends vor der Hütte gekocht.

 
Morgens Maisbrei und abends Maisbrei
 
…doch Keke beklagt sich nicht
 

Die einzige Abwechslung zu Maisbrei sind Pfirsiche und Weintrauben, die hier ganz besonders gut gedeihen.

Wer Land hat, hat zumindest immer zu essen. Wer kein Land besitzt und sein Essen kaufen muss, hat ein hartes Los gezogen.

 

Maria, neben deren Hütte wir übernachten dürfen, hat Land, zwei Kinder und keinen Mann.

 
Maria hat wenig…
 

Trotzdem möchte sie uns "unterstützen" und schenkt uns ein Glas mit eingeweckten Pfirsichen.

Und wieder bestätigt es sich: Je ärmer die Menschen sind, umso leichter  teilen sie.

 
Trotzdem schenkt sie uns eingeweckte Pfirsiche
 
Obwohl das Land sehr klein ist, hat es ein großes Problem: Aids! Afrikas Geisel schlägt in Lesotho unbarmherzig zu. Die Generation der 35-jährigen ist ausgelöscht. Der Hauptgrund ist Kondom-loser Sex, der vor allem den Männern mehr Spaß macht. Auch fehlt es an Geld für Tests und Medizin.
 
Große Worte, doch in der Realität gibt es kaum Geld für die vielen Aidskranken
 
Eigentlich halte ich nur, um ein Foto von der bunten und schön verzierten Rundhütte zu machen. Doch dann erfahre ich von dem Leid, das darin wohnt. Die gebrechliche Vera macht sich viele Sorgen um ihre Tochter und um ihr Enkelkind.
 

Vom Schatten über dieser Familie ist nichts zu sehen

 

Die Tochter und einer der zwei Enkelsöhne leiden an Aids. Zum Glück haben die beiden Enkelkinder verschiedene Väter, so dass nur eines mit dieser schrecklichen Krankheit infiziert ist

 

Die gebrechliche Vera hat Angst

 

Dennoch hat Vera Glück. Sie hat einen Arzt als Freund, der die beiden nun schon seit sieben Jahren mit Medizin versorgt.

 
Die Tochter und das ältere Enkelkind leiden an Aids
 

Auf Achsen-brecherischer Piste fahren wir durch steiles Gelände zu den abgelegenen Maletsuyane Wasserfällen. Auf über 2000 Metern Höhe wird es in der Nacht recht frisch. Wir messen die kälteste Temperatur während unserer ganzen Reise in Afrika – Außentemperatur 7,5 Grad, Innentemperatur 16,8 Grad – für mich sibirische Verhältnisse, brrrrrr…

 
Bei diesen Temperaturen frieren wir mehr als in Sibirien
 

Aber die Einheimischen frieren noch mehr als wir. Sie schützen sich vor der Kälte mit Kopfhauben aller Art sowie dicken Wolldecken.

 
Doch ihn friert es noch mehr
 
Ohne Kopfhaube und Wolldecke geht keiner raus
 

Hier zeigt sich wahre Härte

 

Neben der Straße entdecken wir auf einem Berg zwei Hirten mit dem typischen Spitzhut der Lesothen, dem Mokoroti.

 

Nein, kein Straßenmusiker

 

Wir stoppen und Musik erklingt. Die beiden Hirten vertreiben sich die Langeweile mit Musizieren, und es hört sich gut an.

 

Die Hirten zeigen im Instrumentenbau viel Phantasie

 

Das letzte Stück des Weges zu den mit knapp 200 Meter höchsten Wasserfall im südlichen Afrika erarbeiten wir uns auf dem Rücken der legendären Bosotho-Pferde.

 

Die Bosotho-Pferde sind klein, trotzdem können sie schwer tragen und sind extrem trittsicher.

 

Ich traue meinen Augen nicht, als Heti mit dem kleinen Pferd im Abgrund verschwindet. Als ich die Kante erreiche, rechne ich mit dem Schlimmsten. Doch sie jongliert quietsch-vergnügt auf dem Rücken ihres Pferdes den Steilhang hinab.

 

Heti hat Spaß mit ihrem Pferd, es bringt sie die steilsten Hänge hinab
 

Auch Fury, so nenne ich mein namenloses Pferd, stürzt sich mit den Vorderbeinen über die Abbruchkante. Der Ruck wirft mich nach vorne. Im letzten Moment erwische ich noch seine Mähne und bleibe im Sattel.

Puh, das wäre ein langer Fall geworden. Doch Fury schreitet schlafwandlerisch und sicher zwischen den Felsen hindurch stetig bergab. Unten angekommen zeigen die beiden Tiere Temperament und galoppieren Richtung Wasserfall.

 
Am Ziel, der Wasserfall stürzt beinahe 200 Meter in die Tiefe
 

Lesotho ist im Gegensatz zu Südafrika noch wild und ursprünglich mit Menschen, die ihre Tradition pflegen.

Am Ende unserer langen Reise entwickelt sich das Miniland zum Tüpfelchen auf dem „i“ von Afrika. Es war zum Schluss noch einmal Afrika pur.

 

Kurzinfo Lesotho, Stand Februar 2013

1 Euro

= 11,80 Maloti

   

Die Preise sind die gleichen wie in Südafrika

 
 

Ein- und Ausreise: Einreise über Tele Bridge, 30 Rand bzw. Maloti für Straßenbenützung sind fällig. Ausreise bei Butha Buthe, einfachst.

 
 

Wieder zurück in Südafrika fahren wir schnellstens hoch nach Johannesburg und motten unseren HZJ für ein Jahr gut ein. Dieses Mal wird er uns hoffentlich ohne Schimmelkruste erwarten.

Zuhause werden wir unser neues Buch „Afrika hautnah – zwei Grenzgänger, ein Landcruiser und ein Kontinent mit tausend offenen Fragen“ fertig schreiben. Es wird im September 2013 erscheinen. Auch werden wir einen Vortrag über Afrika vorbereiten, den wir in der Wintersaison 2013/2014 zeigen werden.

 
Im März 2014 werden wir dann wieder nach Südafrika zurückfliegen. Da die australischen Einreisebehörden unverschämt pingelig sind, müssen wir unseren HZJ „klinisch rein“ putzen, um ihn nach Australien verschiffen zu können. Wir werden mit dem Flugzeug folgen.
 
Während ich diesen Bericht schreibe, sitze ich im Flugzeug nach Hause, wo wir von Freunden, der Familie und vor allem von unseren süßen Enkeln Toni und Maxi, die wir so vermisst haben, herzlich empfangen werden.
 

Herzlicher Empfang

 

Hier wäre jetzt nach zwei Jahren intensiver Auseinandersetzung mit einem Kontinent Platz für ein Resümee. Doch Afrika hat es uns nicht leicht gemacht. Die große Bandbreite menschlicher Erfahrungen wie Angst und Erleichterung, Hitze und Kälte, tödlichem Ernst, aber auch viel Humor, unlösbaren Herausforderungen und unerwarteter Auswege macht es schwierig, diesen Erdteil zu verstehen.

 

Ich mach’s kurz!

Jedes Unterwegssein verändert und bereichert uns, so dass wir als andere Menschen zurückkommen. Doch dieses fremdartige Afrika hat bei mir die tiefsten und nachhaltigsten Spuren hinterlassen.

 

Prost! Wir sind froh, dass alles gut ging

 
Vielen Dank an alle, die mit Interesse unsere Reise, sei es kurz, lang oder sogar ganz, verfolgt haben.
 
Bis irgendwann, irgendwo, irgendwie auf diesem faszinierenden Planeten.
 
Herta + Werner
 

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